Nachhaltigkeitssiegel und Nachhaltigkeitszertifizierungen 2022 / 2023 im Überblick

Das Angebot an Produkten und Dienstleistungen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Gleichzeitig wird es für Verbraucher zunehmend schwieriger, sich in dieser Menge von Angeboten zu orientieren. Eine große Hilfe bieten dabei Nachhaltigkeitssiegel und Nachhaltigkeitszertifizierungen. Diese sollen – möglichst unabhängig – die Qualität eines Produktes kennzeichnen sowie eine zuverlässige Aussage über spezielle Eigenschaften treffen. Dass das in der Praxis oft gar nicht so leicht ist, wird schnell deutlich. Besonders Nachhaltigkeitssiegel und Nachhaltigkeitszertifizierungen können eine gute Orientierung bieten.

Was ist ein Nachhaltigkeitssiegel?

Zertifikate und Gütesiegel können auf unterschiedliche Aspekte eines Produktes oder einer Dienstleistung abzielen. Häufige Bereiche sind die Qualität einer Ware, die Kundenfreundlichkeit eines Unternehmens oder die Mitarbeiterzufriedenheit bei einem Arbeitgeber. In den vergangenen Jahren ist bei vielen Menschen ein neues Bewusstsein im Kontext der Nachhaltigkeit entstanden. Für viele Verbraucher spielt dieser Aspekt bei der Kaufentscheidung eine wesentliche Rolle. Auch im Geschäftsleben nimmt die Bedeutung der Nachhaltigkeit merklich zu.

Gleichzeitig haben die meisten Menschen weder die Zeit noch die Möglichkeit, sich intensiv mit der Produktion einer Ware oder den geschäftspolitischen Entscheidungen eines Unternehmens auseinanderzusetzen. An dieser Stelle kommen Nachhaltigkeitssiegel ins Spiel: Durch sie sollen Verbraucher schnell erkennen können, dass bei der Herstellung und Verbreitung verschiedene ökologische Aspekte berücksichtigt werden. Das Problem dabei: Der Begriff der Nachhaltigkeit ist nicht einheitlich definiert – für jeden Menschen bedeutet „nachhaltiges Wirtschaften“ etwas anderes. Aus diesem Grund gibt es auch verschiedene Nachhaltigkeitssiegel, die unterschiedliche Schwerpunkte legen. Deswegen sollen hier einige der wichtigsten Nachhaltigkeitssiegel vorgestellt werden:

  • Der blaue Engel

Der blaue Engel zeichnet hauptsächlich Materialien und Gegenstände im Haushalt aus. Diese müssen sich anhand verschiedener ökologischer Kriterien deutlich von vergleichbaren Produkten unterscheiden. Gebrauchsgegenstände wie etwa Computer oder Polstermöbel müssen nachweislich eine geringe Umweltbelastung aufweisen. Verliehen wird das Gütesiegel von einer unabhängigen Jury.

  • Fairtrade

Das Gütesiegel für fairen Handel zielt in erster Linie auf produzierende Unternehmen im Ausland ab. Neben ökologischen Kriterien werden dabei auch soziale Faktoren wie etwa die Arbeitsbedingungen berücksichtigt. Hauptsächlich kommt dieses Gütesiegel im Bereich von Lebensmitteln, Textilien und Kosmetikprodukten zum Einsatz.

  • Nachhaltiges Unternehmen (DIQP)

Dieses Gütesiegel für Nachhaltigkeit ist eine sehr umfassende Auszeichnung, die mehrere Aspekte eines Unternehmens beleuchtet. Insbesondere geht es dabei um ökonomische, ökologische und soziale Ziele, die erreicht werden sollen. Als eingetragener Verein hebt sich das DIQP vom Markt ab, da es hier keine Gewinnerzielungsabsicht gibt – somit sind Interessenskonflikte von vornherein ausgeschlossen. Ebenfalls einzigartig ist die Zertifizierung selbst: Neben dem zu zertifizierenden Unternehmen und dem DIQP ist noch die Zertifizierungsstelle SQC-QualityCert am Vergabeprozess der Nachhaltigkeitszertifikate beteiligt. Diese nimmt die vorgelegten Dokumente im Rahmen einer stichprobenartigen Prüfung nochmals unter die Lupe. Beim Nachhaltigkeitssiegel „Nachhaltiges Unternehmen (DIQP)“ handelt es sich nicht ohne Grund um eines der Nachhaltigkeitszertifikate, welches von Verbrauchern akzeptiert wird.

Nachhaltigkeitssiegel für Managementsysteme

Bei der Zertifizierung von Managementsystemen geht es nicht primät um eine Beurteilung der objektiven Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens. Diese Beurteilung ist mit aktuellen Methoden nur sehr schwer bis gar nicht möglich. Nachhaltigkeitszertifikate für Managementsysteme haben eher das Ziel, die Art und Weise der Unternehmensführung hinsichtlich Nachhaltigkeit zu beurteilen. Da die Managementsysteme (besonders in großen Unternehmen) standardisiert sind, kann eine Beurteilung entsprechend gut erreicht werden.

Als großer Vorteil dieser Nachhaltigkeitssiegel gilt die Möglichkeit für die Entscheider eines Unternehmens, einen direkten Einblick in die Nachhaltigkeitsleistung ihres Unternehmens zu erhalten. Durch diese Erkenntnisse können wiederum umfassende und kontinuierliche Veränderungen vorgenommen werden, um die Struktur des Unternehmens künftig noch besser anzupassen. Als Nachteil gilt hingegen der Kosten- und Zeitfaktor: So sind der Aufbau sowie die Fortführung eines nachhaltigen Managementsystems besonders am Anfang ressourcenintensiv. Dennoch lohnt sich der Aufwand. Denn neben den positiven Aspekten für die Umwelt legen auch immer mehr Geschäftspartner großen Wert auf nachhaltige Systeme.

Die Aussagekraft ist von Konsumenten jedoch nur bedingt von Relevanz. So kann ein grundsätzlich umweltschädliches und nicht nachhaltiges Geschäftsmodell zu einer erfolgreichen Zertifizierung mit einem Gütesiegel für ein bestehendes Umweltmanagementsystem führen. Mit tatsächlicher Nachhaltigkeit kann dies im Einzelfall dann aber nur bedingt etwas zu tun haben. Hier ist also Vorsicht geboten und eine gesunde Skepsis kann an dieser Stelle nicht schaden.

Nachhaltigkeitssiegel für Nachhaltigkeitsbewertungen

Vielen Kunden und Geschäftspartnern fällt es schwer, die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens zu beurteilen. Schließlich spielen hier zahlreiche Faktoren eine Rolle. Diese müssen definiert und laufend überprüft werden, um ein aussagekräftiges Urteil fällen zu können. Gleichzeitig sind viele Personen daran interessiert, einen solchen Vergleich vornehmen zu können. Aus diesem Grund haben sich einige Anbieter auf genau diese Beurteilung spezialisiert. Unternehmen wie Ecovadis führen anhand eines vorgefertigten Fragebogens eine Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung in einer Firma durch. Nehmen entsprechend viele Unternehmen daran teil, lassen sich die Ergebnisse aussagekräftig miteinander vergleichen.

Diese Art von Nachhaltigkeitsbewertung ist besonders für international agierende Unternehmen geeignet. Da hier die Lieferketten oft über mehrere Standorte verlaufen, kann die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens umfassend beurteilt werden.

Wie hilft ein Nachhaltigkeitssiegel Verbraucherinnen und Verbrauchern?

Viele Menschen sind zunehmend daran interessiert, nachhaltige Produkte zu kaufen oder Aufträge an nachhaltig wirtschaftende Unternehmen zu vergeben. Gleichzeitig fehlt ihnen schlichtweg die Zeit und das Wissen, eine umfassende Prüfung jeder Firma selbst vorzunehmen. Nachhaltigkeitssiegel und Nachhaltigkeitszertifikate übernehmen diese wichtige Aufgabe und geben Verbraucherinnen und Verbrauchern so in erster Linie Orientierung.

Am Ende steht und fällt auch das gute Gefühl nach einer richtigen Kaufentscheidung mit der Tatsache, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung nachhaltig ist. Daher ist es wichtig, sich auf die Qualität des Gütesiegels oder der Nachhaltigkeitszertifikate verlassen zu können. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich also im Vorfeld genau informieren, welche Gütesiegel es gibt und worauf diese abzielen. Denn in puncto Aussagekraft unterscheiden sich die verschiedenen Zertifikate teilweise deutlich voneinander.

Als wichtigste Kriterien für ein Gütesiegel gelten:

  • Transparenz

Werden die Kriterien für die Vergabe klar und deutlich kommuniziert, ist das ein starkes Qualitätsmerkmal. Im optimalen Fall sind die Anforderungen öffentlich einsehbar, beispielsweise über eine Internetseite. So können alle interessierten Personen klar nachvollziehen, nach welchen Kriterien eine Bewertung vorgenommen wird. Außerdem kann so jeder für sich entscheiden, ob die dargestellten Punkte auch mit den eigenen Anforderungen übereinstimmen.

  • Unabhängigkeit

Dass einer Prüfstelle bei der Zertifizierung Kosten anfallen, ist selbsterklärend. Dass diese Kosten hauptsächlich vom zu zertifizierenden Unternehmen getragen werden, ist ebenfalls logisch. Gleichzeitig kann es hier zu einem Interessenskonflikt kommen. Um dieses Problem zu lösen, gibt es mehrere Ansätze. Eine der besten Möglichkeiten ist es, die Prüfstelle von der Zertifizierungsstelle zu trennen. Somit kann ein unabhängiges Unternehmen den Vergabeprozess nachprüfen und bei Unstimmigkeiten ein Veto einlegen.

  • Standards

Die Vergabekriterien sollten sich an einheitlichen Standards orientieren, möglichst sogar an international geltenden Normen. Diese stellen sicher, dass Kriterien nicht laufend geändert und angepasst werden. Stattdessen können sich Kundinnen und Kunden auf genormte Bedingungen verlassen.

Wann hat ein Nachhaltigkeitssiegel eine positive Wirkung für Unternehmen?

Galt vor einigen Jahren noch die Devise: „Lieber ein schlechtes Siegel als gar kein Siegel“, ist man heute vom Gegenteil überzeugt. Verbraucherinnen und Verbraucher sind sensibel und unterscheiden zwischen aussagekräftigen Gütesiegeln und Nachhaltigkeitszertifikaten mit weniger Aussagekraft. Besonders zwei Faktoren spielen eine wesentliche Rolle dabei, wenn es darum geht, wie ein Nachhaltigkeitssiegel wahrgenommen wird: die Bekanntheit sowie das Vertrauen in den Siegelgeber. Dabei zeigen Studien, dass eine fehlende Bekanntheit bis zu einem gewissen Grad durch das Vertrauen in den Siegelgeber aufgefangen werden kann.

Doch wie genau entsteht dieses Vertrauen in Nachhaltigkeitszertifikate? Auch hier zeigen Studien einen klaren Trend: Besonders staatliche Organisationen sowie solche, die keiner Gewinnerzielungsabsicht unterliegen (beispielsweise eingetragene Vereine) genießen in Deutschland das höchste Vertrauen. Auf der anderen Seite haben Gütesiegel private Siegelverkäufer diesen Bonus nicht.

Wie kann ein Unternehmen noch mit Nachhaltigkeit werben oder sich für Nachhaltigkeit engagieren?

Neben der „offensichtlichen“ Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln gibt es noch weitere Möglichkeiten für Unternehmen, auf die eigene Nachhaltigkeitsleistung hinzuweisen. Einige dieser Möglichkeiten sollen an dieser Stelle vorgestellt werden.

  • Mitgliedschaft in Verbänden und Initiativen

Verbände und Initiativen haben die primäre Aufgabe, sich zu organisieren, um sich gegenseitig bei der Erreichung verschiedener Ziele zu unterstützen. Dabei steht der Austausch im Vordergrund. Auch wenn eine Mitgliedschaft in einem solchen Verband selbst noch kein Nachweis für Nachhaltigkeit ist, so signalisiert es für viele Verbraucher doch zumindest den „guten Willen“.

  • Preise und Auszeichnungen

Für besondere und herausragende Leistungen können auch im Nachhaltigkeitsbereich Preise verliehen werden. Das Unternehmen kann solche Auszeichnungen verwenden, um nach außen die eigenen Anstrengungen in diesem Bereich zu untermauern. Es gilt jedoch zu beachten, dass in der Regel nicht das gesamte Unternehmen mit einem Preis ausgezeichnet wird. Die Vergabe richtet sich an ein bestimmtes Produkt, eine konkrete Dienstleistung oder einen Unternehmensbereich.

  • Weitere Gütesiegel

Neben den bereits genannten Nachhaltigkeitssiegeln gibt es natürlich zahlreiche weitere. Einige davon sind eher allgemein gehalten und lassen sich nicht einer konkreten Gruppe zuordnen. Dazu zählen beispielsweise folgende Gütesiegel:

WWF Signet: Der WWF geht mit einigen Unternehmen eine Kooperation ein. Diese entrichten eine Lizenzgebühr an den WWF, wovon wiederum Natur- und Klimaschutzprojekte finanziert werden. Im Gegenzug dürfen diese Unternehmen das Logo des WWF auf ihren Produkten abbilden.

CEEP CSR: CEEP ist eine Initiative der Europäischen Kommission. Diese zeichnet regionale Unternehmen in ganze Europa für besondere unternehmerische Gesellschaftsverantwortung aus, welche über die gesetzlichen Erfordernisse hinausgeht. Für eine solche Auszeichnung müssen sich Unternehmen aktiv bewerben; die Projekte werden anschließend von einer Jury geprüft.

Rechtliche Grenzen in der Werbung mit Nachhaltigkeit

Bei der Bewerbung der eigenen Bemühungen im Sinne der Nachhaltigkeit müssen Unternehmen einige Dinge beachten. Dass Gütesiegel und Nachhaltigkeitszertifikate nur dann verwendet werden dürfen, wenn diese auch wirklich verliehen wurden, ist offensichtlich. Doch es gibt noch einige weitere rechtliche Bedingungen, die eingehalten werden müssen. Werden diese nicht beachtet, droht ein beachtlicher Imageschaden sowie rechtliche Konsequenzen.

Zunächst gilt es, die branchenspezifischen Regelungen zu beachten, wenn es um das Werben mit Nachhaltigkeit geht. So sind beispielsweise die Begriffe „öko“ und „bio“ bei Lebensmitteln durch die Ökoverordnung der EU geschützt und dürfen nur unter festgelegten Auflagen verwendet werden. Ähnliche Regelungen gibt es auch in anderen Branchen.

Etwas allgemeiner gehalten ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Deutschland, das unter anderem besagt, dass Werbung nicht irreführend sein darf. Insbesondere dürfen weder unwahre Aussagen gemacht noch wesentliche Informationen vorenthalten werden. Allerdings ist wie schon erwähnt der Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht eindeutig definiert. Somit fällt eine rechtliche Abgrenzung schwer, ab wann ein Produkt nachhaltig ist oder inwieweit eine Dienstleistung als nachhaltig bezeichnet werden kann. Die bisherige Rechtsprechung zeigt jedoch deutlich: Wird mit umweltbezogenen Begriffen geworben, müssen diese Begriffe auch weitgehend erklärt werden.